Seit September 2025 sorgt die Einführung von genetischen Geschlechtstest durch den internationalen Leichtathletikverband World Athletics für erheblichen Wirbel. Bei Wettbewerben wie der WM in Tokio müssen Athlet*innen, die in der Kategorie „Frauen“ antreten wollen, nachweisen, dass sie das sogenannte SRY-Gen nicht besitzen. Das SRY-Gen sitzt auf dem Y-Chromosom und setzt im Regelfall eine männliche Geschlechtsentwicklung in Gang. Wenn ein*e Athlet*in das SRY-Gen hat, führt es zum Ausschluss aus Frauenwettbewerben.
Diese Maßnahme löste eine Debatte aus, die sowohl wissenschaftliche als auch gesellschaftliche Fragen berührt: Können biologische Marker wie das SRY-Gen wirklich die komplexe Realität von Geschlecht abbilden? Ist ein solcher Test fair und ethisch vertretbar? Und wie spiegeln sich gesellschaftliche Anti-Gender-Diskurse in dieser Diskussion wider? Zunächst soll die Vorgeschichte der aktuellen Gentests kurz beleuchtet werden.
Geschlechtstests im Sport – ein historischer Überblick
Die Geschichte der Geschlechtstests im Sport ist eng mit politischen, medialen und gesellschaftlichen Diskursen verknüpft. Dennis Krämer zeigt in seinem Buch „Intersexualität im Sport“ (transcript 2019), dass Geschlechtstests im modernen Sport eine vielschichtige Geschichte besitzen. Er nähert sich dem Thema über mehrere prägnante Fallbeispiele und zeigt, dass Geschlechtstests mit der Zulassung von Frauen zu bestimmten Sportwettbewerben zu einem zentralen Thema wurden.
Ein frühes Beispiel für Geschlechtstests im Sport ist der Fall der intergeschlechtlichen Hochspringer*in Dora Ratjen. Während des Nationalsozialismus wurde Ratjens Körper medial als „Irrtum der Natur“ skandalisiert; nach der Olympiateilnahme 1936 zwangen die Nationalsozialist*innen Ratjen zur Annahme einer männlichen Geschlechtsidentität und zur Änderung des Personenstands. Etwa zehn Jahre später folgten die ersten obligatorischen Geschlechtstests im Frauensport, eingeführt durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) (Krämer 2019: 23).
Bereits vor Ratjen traten nichtbinäre, trans* oder inter* Sportler*innen im Profisport an, begleitet von medialen Diskursen. So war der britische Kugelstoßer Mark Watson sehr wahrscheinlich intergeschlechtlich und begann seine Karriere zunächst als Mary Watson, bevor er zum männlichen Geschlecht wechselte und seine langjährige Partnerin heiratete (Krämer 2019: 32; Bahro 2009: 65).
Die historische Aufarbeitung dieser Fälle bleibt jedoch lückenhaft, bedingt durch die schwierige Quellenlage und das Fehlen systematischer Forschung. Wichtig ist: Die Debatte um vermeintlich „unechte Frauen“ im Leistungssport begann bereits in den späten 1920er Jahren.
1936 forderte der damalige einflussreiche Präsident des United States Olympic Committee, Avery Brundage, Geschlechtstests („sex examinations“) für vermeintlich „maskierte“ Männer. Brundage hatte sich entschieden gegen den Boykott der im selben Jahr in Berlin ausgetragenen Olympischen Sommerspiele ausgesprochen und verlangte nun, dass alle Frauen, die an den Spielen teilnahmen, überprüft werden sollten. Das IOC lehnte diese weitgehende Forderung ab und übertrug die Verantwortung den einzelnen Sportverbänden – auf nationaler wie internationaler Ebene –, die nun eigene Regeln für Geschlechtsüberprüfungen einführen konnten (Brömdahl 2013: 70–75). Laut Dennis Krämer legte diese Diskussion den Grundstein für einen spezifisch binären Geschlechterdiskurs im modernen Leistungssport, in dem Geschlechtstests immer wieder eine Rolle spielten (Krämer 2019: 33f.).
Systematische Geschlechtstests im Profisport
Im Spitzensport geht es bekanntlich nicht nur um Freude an der Bewegung, sondern um Karrieren und viel Geld. Oft erfordert Leistungssport jahrzehntelanges Training in einem hochkompetitiven Feld, das die Körper der Athlet*innen stark beansprucht, sodass bereits kleinste Leistungsunterschiede über Sieg oder Niederlage entscheiden können. Dieses hohe Leistungsniveau bringt ein zentrales Problem mit sich: Wie lässt sich Wettbewerb fair organisieren, ohne dass bestimmte Gruppen benachteiligt werden? Bis heute existieren nur zwei geschlechtliche Kategorien in den meisten Wettkämpfen, oft geprägt durch historische Pfadabhängigkeiten, die durch Mittelwerte aus Muskelmasse und Gewicht entstanden sind. Doch nicht alle Körper passen eindeutig in diese hinein. Athlet*innen, die zwischen die Kategorien fallen oder nicht klar zugeordnet werden können, geraten in eine Grauzone. Die Frage bleibt, wie Sportorganisationen Fairness in diesen Fällen definieren und diskriminierungsfrei gestalten.
Sportverbände führten unter anderem wegen dieser Debatten sukzessive problematische Geschlechtsüberprüfungen für weibliche Profi-Sportler*innen ein. Die Sportler*innen mussten eine*n Ärzt*in aufsuchen, um Körperbau, Fitness und medizinische Eignung überprüfen zu lassen. Auch gynäkologische Untersuchungen waren möglich. Es gab aber noch kein einheitlich standardisiertes Testsystem. Ab 1946 waren beispielsweise „ärztliche Eignungsscheine“ für Frauen bei den British Commonwealth Games und den Leichtathletik-Europameisterschaften üblich.
Während diese Geschlechtsüberprüfungen zunächst nur bei konkretem Verdacht durchgeführt wurden, wurden Geschlechtstests ab etwa 1966 institutionalisiert, verfeinert und zu einem standardisierten Verfahren entwickelt. Dieser Prozess wurde erneut vom damaligen einflussreichen IOC-Präsidenten Brundage in Gang gesetzt und galt zunächst nur für einige Disziplinen in der Leichtathletik (Brömdahl 2013: 74–75).
In dieser Zeit fielen zwei Debatten zusammen: einerseits über den Missbrauch von Doping zur Leistungssteigerung, andererseits über die Frage, wer genau an Frauensportwettbewerben teilnehmen darf. IOC, Partnerverbände und andere Athlet*innen konnten zunächst nicht klar zwischen gedopten Sportler*innen und solchen, die vermeintlich vom weiblichen Körper abwichen, unterscheiden. Deshalb sah das IOC die Notwendigkeit, die Situation zu kontrollieren, und setzte eine Medizinische Kommission ein, um Geschlechtstest und Dopingkontrollen zu standardisieren (Bröhmdahl 2013: 231).
1966 führten die International Association of Athletics Federations (IAAF) und das IOC verpflichtende Geschlechtstests ein, häufig ausgelöst durch Verdachtsmomente gegenüber Sportler*innen aus der Sowjetunion und dem Ostblock. Diese Anschuldigungen waren damals stark vom Kalten Krieg geprägt, bei dem die sportliche Überlegenheit auch als Indikator für die Überlegenheit politischer Systeme gesehen wurde.
Ein prägnantes Beispiel ist die polnische Kurzstreckenläuferin Ewa Kłobukowska. Sie wurde 1967 mittels des ersten labortechnischen Geschlechtstests (Barr-Body-Test) überprüft und aufgrund einer chromosomalen Varianz von Wettkämpfen ausgeschlossen. Solche Tests diskriminierten intergeschlechtliche Körper und pathologisierten sie im medialen Diskurs, häufig auch als „Problem des kommunistischen Sports“ (Krämer 2019: 39).
Der Barr-Body-Test
Bei dem ab 1967 vom IOC statt gynäkologischer Kontrollen verlangten Barr-Body-Test handelte es sich um einen Wangenabstrich. In den Zellen konnte bei Menschen mit zwei X-Chromosomen das Vorhandensein eines inaktiven X-Chromosoms („Barr Body“ nach dem Entdecker Murray L. Barr) nachgewiesen werden. Männer haben typischerweise nur ein X-Chromosom, das aktiv bleibt. Athlet*innen, deren Chromosomen nicht der gesetzten Norm entsprachen, konnten von Wettkämpfen ausgeschlossen werden. Frauen, die den Test bestanden, erhielten ein „Weiblichkeitsattest“ oder einen „Gesundheitspass auf Lebenszeit“. Viele Sportler*innen kritisierten dies schon damals als gravierenden Eingriff in ihre Intimsphäre (Krämer 2019: 200).
Zwischen 1966 und 1998 wurden Barr-Body-Tests routinemäßig durchgeführt, unter dem Vorwand, „echte Frauen“ vor unfairer Konkurrenz zu schützen (Krämer 2019: 201). Ein zentrales Argument der Befürworter*innen von Geschlechtstests im Spitzensport lautet: Es gibt im Mittel deutliche biologische Leistungsunterschiede zwischen „typisch männlichen“ und „typisch weiblichen“ Körpern – etwa durch Muskelmasse, testosteronbedingte Anpassungen an Körpergröße, Sauerstofftransportkapazität oder Kraftentwicklung.
In klassischen, körperkraft- oder ausdauerabhängigen Sportarten würde eine offene Konkurrenz daher bedeuten, dass Personen mit „cis-männlicher“ Biologie regelmäßig dominieren – was „cis‑weiblichen“ Personen systematisch den Zugang zu Spitzenplätzen verwehrt. Für viele Verbände ist dies das Motiv, Leistungskategorien strikt nach biologischem Geschlecht trennen zu wollen – mit dem Ziel, ein „level playing field“ herzustellen.
Allerdings lassen sich einige dieser Annahmen – und damit die Logik hinter Geschlechtstests – kritisch infrage stellen: Erstens zeigen Beobachtungen und Forschung, dass körperliche Voraussetzungen nicht allein eine Garantie für sportlichen Erfolg sind –Training, Technik, Strategie und mentale Stärke zählen ebenso. Zweitens funktioniert die Idee einer klaren biologischen Binarität nicht immer: Intergeschlechtliche Menschen und Menschen mit sogenannten Varianten der Geschlechtsentwicklung fallen zwischen die Kategorien und werden durch Gentests oder hormonbasierte Kriterien oft ausgeschlossen. Ähnliche Diskriminierungen erfahren aktuell viele trans* Sportler*innen. Drittens gilt: In Sportarten, in denen Kraft und Muskelmasse weniger entscheidend sind – z.B. Technik‑, Präzisions‑ oder Taktik‑Disziplinen – ist der geschlechtsspezifische Unterschied häufig gering.
Darüber hinaus gibt es weitere wichtige Indikatoren für sportliche Leistungsfähigkeit, beispielsweise Hormonverteilung, Muskelzusammensetzung, Gelenkbeweglichkeit sowie mentale Stärke, die aber kaum in ihrer Komplexität wissenschaftlich erforscht sind (Jaitner 2024).
Unzuverlässige Chromosomentests und der Blick auf Hormonwerte
1992 stellte die IAAF die routinemäßige Barr-Body-Testung ein, und 1999 schaffte das IOC die Pflicht zur Geschlechtsüberprüfung bei den Olympischen Spielen ab. Die Tests hatten sich als wissenschaftlich unzuverlässig erwiesen. Sie konnten intergeschlechtliche Körper oder natürliche Unterschiede in der Hormonverteilung nicht erkennen. Das bedeutet: Manche Athlet*innen wurden fälschlicherweise als „nicht weiblich“ oder „nicht männlich“ eingestuft, obwohl ihre körperliche Leistungsfähigkeit nicht von binären Körpern abwich und keine unzulässigen Leistungsvorteile bestanden.
1999 ersetzte das IOC die Pflichttests durch ein System, das medizinische Untersuchungen nur bei „begründetem Verdacht“ erlaubte. Dieses System führte jedoch ebenfalls zu Ungerechtigkeiten und internationalen Kontroversen. In der Folge rückten Hormonwerte, insbesondere Testosteron, verstärkt in den Fokus. 2011 führte das Olympische Komitee eine neue Regelung zu weiblicher Hyperandrogenie ein, die eine Obergrenze für Hormone bei Athlet*innen im Frauensport festlegte. Anlass war die Debatte um die südafrikanische Läuferin Caster Semenya.
Im Juni 2012 passte das IOC die Richtlinien für die Olympischen Spiele in London an: Weibliche Athlet*innen mit erhöhten Testosteronwerten wurden gezwungen, hormonelle Behandlungen zu durchlaufen, um in Frauenwettkämpfen antreten zu dürfen – ein klarer Eingriff in ihr grundrechtlich geschütztes Recht auf körperliche Unversehrtheit. Athletinnen wie Caster Semenya klagten gegen die Beschränkungen und bewerteten sie als diskriminierend. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hob die Regelung 2015 wieder auf. Die Studie, auf der die Regelung basierte, war wissenschaftlich fragwürdig, und ein klarer Wettbewerbsvorteil durch Hyperandrogenismus konnte nicht nachgewiesen werden. Eine weitere 2017 von der IAAF beauftragte Studie zeigte lediglich geringe Leistungsunterschiede von 1,8–4,5 % in einzelnen Disziplinen.
Die IAAF legte 2018 neue Testosteron-Grenzwerte für bestimmte Disziplinen fest, die die bisherige Regelung ersetzte, und die von Athlet*innen mit sogenannten Varianten der Geschlechtsentwicklung oder intergeschlechtlichen Athlet*innen eingehalten werden mussten, um starten zu dürfen. Leichtathlet*innen mit Testosteronwerten von ≥5 nmol/L müssen ihren Spiegel für mindestens sechs Monate senken und anschließend dauerhaft darunter halten, um startberechtigt zu bleiben.
Die allgemeinen verpflichtenden Testosterontests für die Frauenkategorien wurden im März 2022 vom IOC aufgehoben. Das IOC sprach sich für eine offenere und inklusivere Haltung gegenüber Athlet*innen aus und überließ die konkrete Ausgestaltung den einzelnen Sportarten. Bis zur Wiedereinführung des SRY-Tests im September 2025 konnte jede Sportart eigene Richtlinien festlegen.
Wichtige medizinische und ethische Fragen bleiben seither weiterhin ungelöst. Medizinische Expert*innen empfehlen, den Zweck der Regelung klarer zu definieren, die Privatsphäre zu schützen, eine informierte Zustimmung einzuholen und faire Kriterien für die Teilnahme zu gewährleisten.
Kritische Perspektiven auf den SRY-Test
Auch der 2025 eingeführte SRY-Gentest zur Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit wird von führenden Genetiker*innen als problematisch angesehen. Die Human Genetics Society of Australasia (HGSA) lehnt in ihrer Stellungnahme verpflichtende SRY-Gentests zur Bestimmung der Startberechtigung im Frauensport ab. Solche Tests seien wissenschaftlich unzureichend, ethisch problematisch und medizinisch unangemessen, da biologische Geschlechtsentwicklung nicht allein durch das SRY-Gen bestimmt wird.
Übereinstimmend argumentiert Andrew Sinclair, Molekularbiologe und Entdecker des SRY-Gens, und betont, dass Athlet*innen vorschnell auf Basis vereinfachter Annahmen ausgeschlossen werden. Methodisch sei der SRY-Test zudem fehleranfällig: Schon kleinste Verunreinigungen können zu falsch positiven Ergebnissen führen.
Menschen mit vollständiger Androgenresistenz besitzen beispielsweise einen XY-Chromosomensatz, sind aber resistent gegenüber Androgenen (wie Testosteron) und zeigen weibliche körperliche Merkmale – sie würden durch einen positiven Test dennoch ausgeschlossen.
Die ehemalige Hürdenläuferin Maria José Martínez Patiño zahlte einen hohen Preis für Geschlechtstests im Sport. Nach einem fehlgeschlagenen Test 1988 wurde sie medial bloßgestellt, wodurch sie schwere emotionale Belastungen erlitt und schließlich ihre sportliche Karriere beendete. Erst ein späterer Gerichtserfolg stellte klar, dass ihr XY-Karyotyp mit gleichzeitiger Androgenresistenz ihr keinen physiologischen Vorteil verschaffte und eine Aussetzung der Geschlechtstests folgte auf dieses Urteil.
Fälle wie der von Patiño oder Semenya zeigen die ethischen Probleme von verpflichtenden Geschlechtstests: Sie führen zu öffentlicher Demütigung, psychischem Stress und Diskriminierung. Auch Sportler*innen, darunter Malaika Mihambo, kritisieren die Praxis als unzureichend. Intergeschlechtliche Menschen werden durch verpflichtende Gentests faktisch zwangsgeoutet, was zu Stigmatisierung, Traumatisierung und Verletzung der Privatsphäre führen kann.
Insgesamt zeigt sich, dass der SRY-Gentest weder eine wissenschaftlich zuverlässige noch eine ethisch vertretbare Grundlage für die Einteilung in sportliche Kategorien bietet.
Vielfalt statt Ausschluss
Die Rückkehr von Geschlechtstests im Sport zeigt den Spannungsbogen zwischen dem Festhalten an binären Zuordnungen, um vermeintlich fairen Wettkampf zu gewährleisten, und dem Wissen, dass Geschlecht divers, vielschichtig und nicht auf zwei Kategorien reduzierbar ist. Geschlecht lässt sich nicht auf Chromosomen oder Hormone reduzieren, sondern entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel biologischer, sozialer und identitätsbezogener Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen.
Ein einzelner Gentest wie der SRY-Test erfasst die Komplexität des biologischen Geschlechts und die damit verbundenen ethischen Fragen nicht. Vielmehr lenkt er den Blick auf eine Minderheit von Sportler*innen, die intergeschlechtlich sind und/oder über eine sogenannte Variante der Geschlechtsentwicklung verfügen – oftmals, ohne es selbst zu wissen. Die meisten Menschen kennen ihre hormonelle oder chromosomale Ausstattung nicht; Sportler*innen werden nun jedoch gezwungen, diese offenzulegen – was aus menschenrechtlicher Perspektive höchst fragwürdig ist.
Solange aber Wettbewerbe im Frauen- und Männersport getrennt organisiert werden, bleibt das Problem der Zuordnung und Fairness zentral. Gerechtigkeit verlangt, dass beiden Gruppen gleiche Wettkampfbedingungen zugestanden werden, was in der Praxis nicht immer gelingt: Inklusive Ansätze können die Chancen einzelner Gruppen reduzieren. Für viele weibliche Spitzensportlerinnen ist dies existenziell, ihre Karriere hängt von fairen Bedingungen ab. Anders als in ideologischen Debatten wird hier niemandem etwas weggenommen – es geht um gleichwertige Wettbewerbsbedingungen. Dieses Spannungsfeld aus Fairness, Inklusion und Karriereambitionen sollte in der Diskussion unbedingt berücksichtigt werden.
Fazit: Fairness als Balanceakt
Die Debatte um den SRY-Test zeigt, dass Geschlecht im Sport ein komplexes Konstrukt ist, das biologische, soziale und gesellschaftspolitische Faktoren vereint. Die pauschale Anwendung genetischer Tests zur Definition von „weiblich“ ist sowohl wissenschaftlich fragwürdig als auch ethisch hochproblematisch.
Gleichzeitig verdeutlicht der Spitzensport als Sonderfall, dass solche Regelungen nicht auf Breitensport oder gesellschaftliche Fragen der Geschlechtszuordnung übertragbar sind. Politische Kräfte nutzen die Debatte aktuell, um die strikten geschlechtsbasierten Normierungen des Leistungssports auf Bereiche auszudehnen, in denen geschlechtliche Unterschiede kaum für Fairness relevant sind – etwa im Team- und Amateursport oder in technisch geprägten Disziplinen.
Juliane Scholz
Links:
Literatur:
Bahro, Berno (2009): Ein schweres Schicksal: Dora Ratjen, in: Ders.; Braun, Jutta (Hg.): Berlin ’36. Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg, S. 63–97.
Brömdal, Annette (2013): The phantom category of ‘Intersex’ in elite sports: knowledge about ‘Disturbing’ female bodies and athletic performances. PhD thesis.
Krämer, Dennis (2019): Intersexualität im Sport: Mediale und medizinische Körperpolitiken. Bielefeld: transcript 2019.